Kokospalmen – die dem Land den Namen gaben

Wenn wir denn auf unseren Touren einen steten Begleiter haben, so ist es hier die Kokospalme. Aus gutem Grunde bedeutet Kerala in der Sprache der Einheimischen schlicht „Land der Kokospalmen“. Mit ihnen und von ihnen lebt der Mensch in dieser Region, seit er gelernt hat, ihre vielen Vorzüge zu nutzen, was sich in Jahreszahlen nicht ausdrücken läßt. Genau darum aber, um die von uns täglich erlebte sinnvolle Nutzung der hier im Übermaß vorhandenen natürlichen Ressourcen am Beispiel dieses Baumes soll es hier gehen.

Am ehesten leuchtet uns noch ein, da wir es aus der Heimat kennen, dass der Stamm als Baumaterial im Haus- und Bootsbau und die Wurzeln sowie heruntergefallen vertrocknete Teile als Brennstoffe Verwendung finden. Aber damit erschöpfen sich die Qualitäten dieser universalen Pflanze bei weitem nicht. Die großflächigen Palmwedel werden seit Menschengedenken als Dachbedeckungen, Sichtblenden und Grundstücksmarkierungen eingesetzt. Dazu werden sie – noch im Saft, also grün – entlang des Schaftes mittig getrennt und die einzelnen Blätter von geschickter Frauenhand zu Fächern verflochten. Diese werden getrocknet und je nach Verwendungsart nebeneinander oder übereinander zu einer für Regen, Wind, Sonne und die Blicke der Nachbarn undurchdringlichen Wand oder Dachbedeckung vereint. Aus den jungen Blättern werden auch gern Körbe oder Dekorationen für Tempel- oder Familienfeste gefertigt.

Weiter geht es mit dem Palmsaft. Dieser wird von einer besonderen Berufsinnung, den Toddytappern, aus den jungen Sprösslingen der Palmblätter in der Krone des Baumes, oft in luftiger Höhe und nicht ganz ungefährlich, gezapft. Sie ritzen die jungen Triebe an und fangen den üppig sprudelnden Saft in Gummi- oder Plastikbehältnissen auf. Der Saft wird unter staatlicher Kontrolle eingesammelt und zum beliebten mehr oder weniger starken alkoholischen Getränk des „kleinen Mannes“, dem beliebten Toddy vergoren. Dieser wird in deutlich als solchen ausgewiesenen Toddyshops quer über das Land verkauft und vor allem vom männlichen Teil der Bevölkerung geschätzt. Was von vielen als Bier oder auch Wein bezeichnet wird, ist ein milchig ausschauendes Getränk, was ähnlich wie junger Wein (Federweißer) bei weiterer Gärung dann klarer und im Alkoholgehalt stärker wird. Dazu kommt es aber eher nicht, da der Trunk mit seiner dezenten Kokosnote schlichtweg viel zu viele Liebhaber hat. Die von westlichen Toddyfreunden vorgeschlagene Einbeziehung des vergorenen Saftes in die lokale Küche wird von den Einheimischen bisher (noch) nicht ernsthaft verfolgt.

Am bekanntesten bei uns im Westen ist sicher die Kokosnuss bzw. deren innerer Kern und die Produkte, die daraus gewonnen werden. Dabei kann sie vielmehr. Als junge Früchte begegnen sie uns täglich als willkommene Erfrischung nach vielen Rad-Kilometern als „tender coconut“, deren Saft wir genussvoll mittels Trinkhalm zu uns nehmen. Anschließend, wenn sie vom Verkäufer geteilt ist, kann man oft noch Teile der sich gerade bildenden weissen Masse mit einem Teil der Schale heraus löffeln. Köstlich!

Jede Familie verfügt hier über mehrere bis sehr viele Kokospalmen. Manche besitzen Haine mit mehreren tausend Bäumen. Das ist gut und auch notwendig, da täglich die Milch und besonders das frisch geraspelte Fleisch von mindestens 2-3 Kokosnüssen für das Kochen der vegetarischen Gerichte benötigt werden. Zum Kochen wird fast ausschließlich und aus meiner Sicht viel zu verschwenderisch Kokosöl verwendet. Vielleicht rührt es daher, dass es nicht im Laden gekauft werden muss. Alle paar Wochen werden einige Dutzend oder Hundert Nüsse geerntet. Deren innerer fleischiger Kern wird von der äußeren weichen, sowie von der inneren harten Schale gelöst, halbiert und in der Sonne getrocknet.  Alsdann geht es, in Säcke gepackt, in die immer nahe gelegene Ölmühle. Zurück bekommt man relativ unreines Öl, welches sich noch einige Tage setzen muss und anschließend mehrfach gefiltert wird, sowie die so bezeichneten Kokosplätzchen. Diese sind die süß schmeckenden Rückstände der ausgepressten Kokosnüsse und ein überaus beliebtes Leckerli für die Kühe, die zu den meisten ländlichen Haushalten weiterhin dazu gehören. Aber auch zweibeinige Leckermäulchen sollen zu den Genießern gehören, besonders unmittelbar nach der Pressung, wenn sie noch warm sind. Himmlisch!

Die dicke faserige äußere Schale der Kokosnuss ist  Ausgangsmaterial für eine Reihe weiterer im Leben der Einheimischen unabdingbarer Produkte. Zunächst wird sie, wie seit Generationen, mittels eines speziellen Werkzeuges per Hand vom eigentlichen harten Kern getrennt, getrocknet, gewässert und wieder getrocknet. Anschließend werden die Fasern mit einer Art Eisenbürste behandelt. Aus dem faserigen, grossvolumigen Zwischenprodukt wird dann ein Faden gesponnen. Daraus werden dann weitere Produkte gewonnen, wie Seile verschiedener Stärke für die Landwirtschaft, die Fischerei und den Bootsbau. Aber auch verschieden eingefärbte Matten, Läufer oder Fußabtreter sind begehrte Endprodukte – letztere auch bei uns in Europa.

Bleibt die innere harte Schale der Nuss. Diese dient, wenn sie denn nicht in einem der vielen Feuer unter dem Teekessel landet, zum einen zur Befestigung kleinerer Wege auf dem oft schlammigen Untergrund in den Backwaters. Auch wird sie von Kindern und Frauen zum Basteln oder fuer dekorative Zwecke genutzt

Wie wir sehen, ein wahrhaft breites Spektrum der sinnvollen Verwendung  jeder Faser dieser Pflanze, welches symbolhaft steht für das Leben des Menschen im Einklang mit der Natur. Und damit diese Pflanze auch weiterhin Gutes für den Menschen tun kann, pflegt er sie. Da sie auf meist kargen Böden gedeiht, düngt er sie mit fruchtbarem Schlamm, den er mühsam mit Körben aus den Kanälen der Backwaters hoch holt.

Übrigens. Obwohl in den Dörfern an Straßen und Wegen, die täglich von Millionen von Menschen benutzt werden, die Kokosnüsse in oft zentnerschweren Bündeln an den Palmen hängen, sind in der topischen Klimazone nur ganz vereinzelte Fälle bekannt geworden, wo mal ein Mensch oder ein Haustier von einer herunter fallenden Nuss verletzt oder gar getötet worden ist. Daher rührt wohl auch der anerkennende Spruch:“ Eine Kokospalme betrügt Dich niemals!“

Eigentlich eine schöne Geschichte für die Sendung mit der Maus, falls es sie denn nicht schon gegeben hat. Vielleicht melde ich mal beim WDR, wenn ich wieder zu Hause bin?

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