Mit dem Mountainbike über die höchste Pass-Straße der Welt

Der Khardung La Pass (5.602 m) in Ladakh im nordindischen Himalaya

Es ist Mitte Juli 2016, wir, fünf Mountainbiker aus Indien, Großbritannien und Deutschland, haben vor nicht einmal 48 h eine kleine gefühlte Heldentat vollbracht. Wir sind an acht aufeinander folgenden Tagen im nordindischen Himalaya den strategischen Highway von Manali in Himachal Pradesh hoch nach Leh ins deutlich tibetisch geprägte Ladakh gefahren. Genutzt haben wir dazu extrem robuste Leih-MTBs bekannter Marken. Diese haben uns über 500 km und weit mehr als 10.000 Höhenmeter zuverlässig  hier herauf begleitet.

Nach nur einem „Ruhetag“, den wir mit nicht minder anstrengenden Spaziergängen zu den Sehenswürdigkeiten des ladakhischen Buddhismus verbracht haben, fühlen wir uns fit für das ultimative Abenteuer zum Abschluss der Reise. Es soll von hier, von Leh aus auf 3.500 m ü. M. gelegen, hinauf gehen auf die derzeit höchste befahrbare Pass-Straße der Welt, den Khardung La mit 5.602 Metern ü.M., die ins benachbarte Nubra-Tal führt.

Da wir auf der maximal 2×39 km langen Strecke (jeweils hoch und wieder zurück gemessen) ohne Backup car unterwegs sind, checken wir am Vorabend die Räder gründlich und versorgen uns mit den notwendigen Reparatur- und Ersatzteil-Sets sowie pro Person mit mindestens 2 Litern Wasser.

Wir starten am Morgen nach einem kräftigen Frühstück in zwei Gruppen. Die jungen Gipfelstürmer brechen früher auf, etwas später folgen die reiferen Semester, für die der Weg mehr das Ziel ist und die nicht um jeden Preis bis ganz hoch auf den Pass wollen. Zunächst begeben wir uns in eine recht steile drei Kilometer lange Passage durch die besseren Viertel der Altstadt von Leh hoch zur eigentlichen Pass-Straße. Außer Atem stellen wir fest, dass wir bereits 150 HM „im Sack“ haben und wichtiger, dass die Straße zunächst exzellent ausgebaut ist und wie schon auf dem gesamten Wege nach Leh im Schnitt nur um max. 5% ansteigt. Beste Voraussetzungen für unser Unternehmen also, die dem Charakter als Versorgungsweg für die Indische Armee in dieser strategisch wichtigen Lage geschuldet sind.

Uns soll es recht sein. Wir treten munter, aber nicht übermütig in die Pedalen und gewinnen schnell an Höhe. Bereits am Rande von Leh zwingt uns die Aussicht auf die Baustelle eines neuen Amphitheaters und wenig später die erste bedeutende ladakhische Gompa zum Halt. Kurz danach biegen wir ein in ein wunderbar grünes Hochtal, jenes von Ganglas. Es erstreckt sich über mehrere Kilometer zu unserer Linken und wird offensichtlich intensiv zum Anbau von Obst und Gemüse genutzt.

Wir steigen kontinuierlich weiter und lassen jegliche Zivilisation endgültig hinter uns. Einzige Begleiter an einem so sonnigen und von bester Fernsicht geprägten Tag sind nunmehr nur noch Scharen von Motor-Bikern und zahllose Touristen-Taxis. Alle streben sie zum Pass, es muss ein furchtbares Gewimmel dort oben herrschen.

Wir genießen einstweilen unsere Ruhe und gewinnen beständig an Höhe. Hin und wieder stoppen wir und finden sicher nicht die angemessenen Worte für die Eindrücke, die der tiefe Blick hinunter ins Leh-Tal und das sich dahinter auf tuende schneebedeckte Massiv um den Stok Kangri (6.152m) in uns auslösen. Es ist einmalig, es ist beeindruckend – mindestens!

Nach etwa 20 km moderater Plackerei, wir haben schon knapp 1.000 m an Höhe gewonnen, spüren wir das bekannte Gefühl der vergangenen Tage. Trotz guter Akklimatisierung wird die Luft knapper und die Leistungswilligkeit, weil -fähigkeit der Beine nimmt spürbar ab. Kein Wunder, wir sind auf etwa 4.500 m ü.M. Geübt im Umgang mit dieser Situation fahren wir ruhig weiter und legen immer öfter Trink- und Foto-Stopps ein.

Etwa 3 km vor dem ersten markanten Punkt auf dem Weg zum Pass, dem 14 km unterhalb der eigentlichen Passhöhe gelegenen Checkpost Southern Pullu (Südpol des Khardung La) kommt uns unser Freund Subbu aus dem südindischen Bangalore entgegen. Er, ein untadeliger Sportsmann und feiner Kerl gesteht uns lächelnd, dass ihn etwa 2,5 -3 Kilometer nach den Checkpost die Motivation verlassen hätte. Mit einem Mal sei der Top-Belag der Straße gewichen. Statt dessen sei nun eine üble staubige Geröllpiste mit riesigen Schlaglöchern, runden und spitzen Steinen jeder Größe die Unterlage, auf der es gelte sich nach oben zu kämpfen.

Wir, die wir eh Zweifel hegten, ganz nach oben zu fahren, wünschen ihm eine sichere und spannende Abfahrt und begeben uns unsererseits auf das letzte nun doch schmerzende Stück hinauf zum Checkpost. Wir haben 25 wunderbare Kilometer mit über 1.200 Höhenmetern in den Beinen und genießen nach 4 Stunden Aufstieg gemeinsam mit anderen Radlern, die aus dem gegenüber liegenden Nubra-Tal kommen ein jeder einen leckeren Chai.

In dem sonnig-trockenen und leicht windigen Hochgebirgsklima trocknen unsere Hightech-Funktions-Klamotten in Windeseile. Wir packen uns trotzdem gut ein und legen den Rückweg bei größter Vorsicht und weiteren Fotostopps in nur 45 Minuten zurück. Nach 50 km im Sattel und dem erwähnten Höhenprofil runden wir den Ausflug mit einem frischen Kingfisher-Bier und einer so leckeren wie nahrhaften tibetischen Thenthuk-Suppe ab.

Am Nachmittag bestätigen Sarah und Dan, dass es alles andere als ein Vergnügen war, die verbleibenden 11-12 Kilometer hinauf zum Pass zu fahren. Dennoch haben sie sich hoch „gebissen“, wofür ihnen von allen Seiten Respekt und Hochachtung entgegen schlägt. Allerdings bestätigen auch sie, dass wir bei unseren Passüberquerungen der letzten Woche beeindruckendere Erlebnisse abspeichern durften. Zum einen besitzt der Khardung La eine regelrechte Sattelform, die einen dazu zwinge, noch ein erhebliches Stück zu klettern, um den erhofften Rundblick genießen zu können. Dafür waren sie schlicht zu kaputt. Außerdem hätten sie sich mit Hundertschaften anderer Touristen um die Aussicht balgen müssen, die motorisiert nach oben befördert wurden und sich teilweise rücksichtslose Gerangel um die besten Plätze lieferten.

So folgen Sie uns wenig später auf dem Weg zurück ins schöne grüne Leh-Tal und genießen die für sie knapp 40 km lange Abfahrt in vollen Zügen.

Wir sind uns sicher, dass wir bei der Tour im August 2017 wieder einige begeisterte Gipfelstürmer vereinen werden. Wetten, dass???

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