Arunachal Pradesh – Land der Berge in der Morgenröte

Assam – Arunachal  Pilot-Tour Oktober 2017 

Die Air India-Anreise nach Delhi mit Landung am Morgen des 19.10. ist eigentlich zu knapp für den Transfer zum Inlandsterminal 1D. Wir schaffen es mit einiger Mühe. Künftig werden wir eine frühere Anreise und mindestens eine Übernachtung in Delhi empfehlen. Auch können wir dann die tolle morgendliche „Kulturschock“-Radtour durch Alt-Delhi integrieren.

Der IndiGo-Flug nach Dibrugarh dagegen ist optimal. Auch die Abholung durch unseren Partner Roheen und der Transfer ins 60 km entfernte erste Domizil im Dorf Tipam Fakey in ein sehr einfaches Gästehaus von Thai-Mönchen klappen vorzüglich. Direkt an Thailand erinnert das in Bananenblättern gedünstete leichte und sehr geschmackvolle Essen bei einer benachbarten Familie, die zur Minderheit der Tai  Phakey gehört.

Eastern Assam ist subtropisch, seltsamer Weise fast ohne Palmen, dafür ausgestattet mit einer Vielzahl von Bambusarten, ausgedehnten Reisfeldern, Teegärten und malerischen auf Stelzen stehenden Bambushäusern der Farmer von verschiedenen Stämmen.

Zunächst erleben wir eine klare Hindu-Dominanz, gemischt mit Thai-buddhistischen Minderheiten. Später im Regenwald von Arunachal treffen wir dann nur noch auf animistische Mishmi-Stämme (und Angehörige der indischen Armee).

Zum Radfahren

Tag 1, Freitag 20.10. Inthong Village

Entspanntes Einrollen (65 km, flach), kaum Verkehr, kein typisch indischer süßer Tee mit Milch, sondern beste Qualitäten grünen und schwarzen Tees aus der Region – welche Freude. Tagesziel ist ein anmutiges Bambus-Langhaus auf Stelzen beim Stamm der Singpho, die als erste auf dem heute indischen Boden Tee angebaut haben. 1823 haben die Briten von hier im Osten Assams begonnen, Teepflanzen auch in andere Gegenden Indiens und Ceylons zu verpflanzen und mit Erfolg zu kultivieren.

Später unternehmen wir eine kurze Wanderung zu einem einfachen, aber dafür den wichtigsten buddhistischen Tempel der Region und des Stammes am nahen Fluss.

Am Abend genießen wir im Schneidersitz an niedrigen Tischen erneut ein köstliches einfaches Essen und „smoked Tea“ aus hauseigener Herstellung.

Tag 2, Samstag 21.10. Miao

Morgens rollen wir zurück in die nahe Stadt Margherita und das sich anschließende Ledo, beides Zentren der Kohleförderung in der Nordost Region. Künftig sollten wir am hiesigen Museum mit seinen bunt bemalten alten Dampfloks und Loren einen Stop einlegen. Auch passieren wir wieder Ölförderstätten. Auffällig sind zwei Dinge. Auch auf dem Highway ist der Verkehr im Vergleich zu den „indischen“ Unionsstaaten sehr überschaubar. Und auffällig viele schulpflichtige Kinder tun eben das nicht – zur Schule gehen -, sondern helfen mit Billigung der Eltern lieber in Haus und Hof und verspielen so unwissentlich bessere Chancen auf ihre Zukunft. Zumindest scheinen alle glücklich damit zu sein und vielleicht ist es hier ja auch gut so?

Kurz vor der Grenze nach Arunachal hört die Straße auf, eine zu sein… Das wird sich in den kommenden Tagen noch verstärken. Wir treffen kaum noch auf Menschen und erst nach 30 km Fahrt durch üppiges Grün auf die erste Siedlung Miao. Zuvor legen wir einen Lunch-Stopp in einem blühenden tibetischen Flüchtlings-Camp ein. Durch Schlamm, Regen und einen gut gefüllten Bach schlagen wir uns zu unseren sehr angenehmen Lodges für die kommende Nacht nahe eines derzeit rasant ansteigenden Flusses durch.

Tag 3, Sonntag 22.10. Deban

Es regnet kräftig weiter. Unsere lokalen Guides kommen kaum durch diverse Bäche und daher drei Stunden später. Deshalb, aber vor allem weil der gleich zu Beginn in wackligen Holzbooten zu überquerende Fluss über Nacht bedrohlich angeschwollen ist, beschließen wir der Vernunft zu gehorchen und besteigen das Begleitfahrzeug zum viel längeren Transfer. Zwischendurch erleben wir schöne Aussichten und Einblicke ins ländliche Leben sowie ein lecker leichtes Lunch bei der Goldenen Pagode, der angeblich größten ihrer Art außerhalb Thailands.

Das Dinner erfolgt dann nach einer endlos scheinenden Fahrt in einer versteckten sehr einfachen Lodge im  Weiler Deban am Kamlang-Wildreservat, betrieben von einer Minorität ehemaliger Tibeter, denen nie der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde, die von den anderen benachbarten Volksgruppen missachtet und benachteiligt werden. So haben sie auch keinen Zugang zur Elektrizität und zur öffentlichen Wasserversorgung, obwohl die Leitungen auch in ihr Dorf gelegt sind. Wir können nur die Köpfe schütteln und unsere Stirnlampen nutzen.

Ein die Einheimischen seit langem und nun auch uns bewegendes Thema ist die Indian Standard Time. Diese ist hier im Osten völliger Quatsch, da wir morgens ab 04:30 Uhr viel helle Zeit im Bett liegen und am Nachmittag nach 4:00 Uhr unter Zeitnot geraten können, da es dann schnell dunkel wird. Aber Delhi ist hier im fernen Osten des Landes so uneinsichtig wie Peking mit den Seinen im Westen des Reiches der Mitte…

Tag 4, Montag 23.10. Wakro,

Noch vor dem Frühstück unternehmen wir einen kurzen schweißtreibenden Marsch zu einem Aussichtspunkt über den Noa Dihing Fluss in den Dschungel. Kurz danach geht es in der Morgensonne zunächst stramm bergauf. Der Untergrund ist schwierig, selten sehen wir mal etwas vom irgendwann aufgebrachten Asphalt, dafür dürfen wir uns bei mehreren Durchfahrten kleinerer Bäche und übergroßer mit Regenwasser gefüllter Senken bewähren. Menschen sehen wir nur ganz wenige. Der Dschungel aber lebt und ist immer wieder ohrenbetäubend laut vom Gesang der Zikaden und vom Geschrei der hoch über uns unsere Bemühungen verfolgenden Brüllaffen.

Kurz vor einem brachialen Regenschauer erreichen wir unsere nette Öko-Lodge in einem weiteren Teegarten in Wakro. Wir genießen später erhebliche Mengen bester Qualitäten des hier organisch angebauten Grünen und Schwarzen Tees.

Tag 5, Dienstag 24.10. Tezu

Morgens besuchen wir die kleine unserer Gastgeberfamilie gehörende Teefabrik, die in der Saison täglich 80-90 kg erstklassigen Grünen Tee produziert. Danach geht es bei schönstem Wetter dem ersten 15 km langen Anstieg entgegen und auf besser werdenden Straßen hinunter nach Tezu. Hier checken wir in einen bemerkenswerten Homestay ein – dem der Familie eines hiesigen Ministers, welchen wir am Abend persönlich kennenlernen dürfen. Grund dafür ist die Einladung zu einem Zusammenkommen der überaus zahlreichen Großfamilie im Hause des verstorbenen Großvaters, um eine Puja genannte Zeremonie für einen schwer erkrankten Angehörigen im fernen Delhi abzuhalten. Da alle hier Angehörige des Stammes der Idu Mishmi sind und damit animistischen Überzeugungen anhängen wird das Ritual von 2 Schamanen geführt. In den Räumlichkeiten der Prozedur herrscht reges Kommen und Gehen, nur die beiden in rötlichen Gewändern, der Farbe ihres Stammes, gekleideten Schamanen sind durch stundenlange Gesänge und dem Konsum von reichlich Alkohol und anderen Dingen mehr schon in einem seltsamen tranceähnlichem Zustand. Wir werden eingeladen, das in der Glut des offenen Feuers gegarte Wildschweinfleisch und auch den dazu servierten Reiswein zu teilen.

Später werden ein Schwein und mehrere Hühner geopfert. Das anfallende Blut wird von den Schamanen für diverse Zwecke benutzt, viele Gegenstände werden damit eingerieben – alles mit dem Ziel, dem fernen Kranken Energie zu spenden. Für die weiter eintreffenden Angehörigen sind die Gespräche miteinander, der Genuss verschiedener Drogen und das spätere Verzehren des im Außenbereich kochenden Schweinefleisches wichtiger als das monotone Tun der beiden seltsamen Männlein.

Zwischenzeitlich werden wir im Haupthaus vom gastgebenden Minister zum Tee geladen, erhalten als Erinnerung handgefertigte Schals und Taschen in den Farben und Mustern der Idu Mishmi. Auch können wir uns der Teilnahme an Tänzen nepalesischer Jugendlicher nicht entziehen, die mit ihrer Darbietung die Gesellschaft unterhalten. Besonders interessant gestaltet sic
h die Führung durch das imposante Langhaus des Großvaters. Er hatte in den 1960er Jahren 12 Frauen, von denen eine jede entlang des Ganges ein eigenes Zimmer besaß. An dessen Ende befindet sich ein Raum für rituelle Zusammenkünfte der Familie. Dieser ist an den Wänden übervoll geschmückt mit Schädeln, Hörnern, Schnäbeln u.a. von meist wilden Tieren, welche die Familie in der Vergangenheit zu verschiedenen Anlässen geopfert hat, um die Götter in ihrem Sinne zu stimmen. Zugleich und vor allem zeugen sie aber vom Wohlstand der Familie und ihrem Rang in der Stammesgesellschaft.

Nach nur kurzer Garung werden uns dann als quasi Ehrengäste noch fast rohe Stücken fetten Schweinebauches in Bananenblätter gehüllt zum gemeinsamen Verzehr mit der Familie angeboten. Trotz größter Überwindung fällt es uns unendlich schwer nur kleine Stücke dieser von den anderen als absolute Köstlichkeit empfunden Brocken hinunter zu schlucken.

Bereits am Nachmittag interessierte sich die regionale Presse für unser Unterfangen, welches sie offensichtlich als Vehikel benutzen möchten, um auch die Einheimischen zu einer gesünderen Lebensweise zu animieren. Bei einem Spaziergang durch das sehr übersichtliche Tezu waren wir der absolute Hingucker, denn westliche Touristen verirren sich, wie uns der Minister bestätigte, nur höchst sporadisch in diese wilde Gegend.

Tag 6, Mittwoch 25.10. Roing

Auch wenn wir spät aufbrechen, so sind wir doch weit vor der Gastgeberfamilie in den Tag gekommen. Das Frühstück lassen wir uns von einem kleinen Lokal in der Nähe liefern. Zu lang und intensiv war wohl für alle der Abend. Immerhin kommen wir nach ca. 10 km morgendlichen Radelns in den Genuß eines ministeriellen Handschlages, als unsere Bekanntschaft vom Vorabend beim Überholen seinen Wagen stoppen läßt, höchst selbst aussteigt und uns mit guten Wünschen für die kommenden nicht einfachen Tage ehrt.

Die Tour heute führt durch üppiges Grün zu beiden Seiten mit immer neuen unbekannten Pflanzen und deren Früchten. Eine noch nicht fertig gestellte Brücke über einen stark angeschwollenen Fluss überqueren wir durch ein spektakuläres Abseilmanöver unserer Räder. Wir selbst gehen auf einer sehr fragwürdigen Leiterkonstruktion voran und bekommen so einen ersten Geschmack von der lebensnotwendigen Improvisationskunst der Mishmi hier im wilden Osten. Auch machen wir kurze gemeinsame Rast mit einem Arbeitselefanten und seinem Mahout.

Oberhalb von Roing genießen wir die letzte feste Unterkunft in einer malerisch mit Sicht auf den Fluss und die Stadt gelegenen einfachen Eco Lodge mit eigener Toilette und Möglichkeit zur sog. Eimerdusche, dazu eine urige, sich auf Bambusstämmen befindliche Südterasse und letztmals für fast eine Woche Elektrizität. Die Lodge hat eine bemerkenswerte junge Herrin, handelt es sich doch um Tine Mehta, ein nur 1,55 m kleines Energiebündel, welches im Mai 2011 als erste indische Frau auf dem Gipfel des Mount Everest stand.

Tag 7, Donnerstag, 26.10. Kilometer 47

Tine ist sehr um uns bemüht, hat sogar süßes Toastbrot und Cornflakes für uns aufgetrieben. Dabei wünschen wir uns vielmehr das deftige landestypische Frühstück vor unserem 45 km langen Aufstieg in die vor uns liegende Erste Wand der Mishmi Range. Aber auch das bekommt sie hin, wie auch den vorerst letztmaligen Zugang zum Internet. Sie ist schon eine besondere Type, die ein halbes Dutzend gleichaltriger Inder wie selbstverständlich dirigiert.

Nach kurzer Ausbaustrecke sind wir dann im Anstieg in den ersten Geröll- und Schlammpassagen voll gefordert. Später ist die alte Straße meist erkennbar, aber mit der Zeit zehren uns die sich aneinander reihenden Schlaglöcher doch kräftig aus. Bei km 28 machen wir Lunchbreak, welchen Roheen, unser Guide zu letzten Einkäufen nutzt. Ab nun hängen 2 lebendige Hühner in kleinen Plastikeimern an der Rückseite seines Maruti-Kleinwagens, die nur noch wenige Stunden vor sich haben. Ungefähr ab diesem Punkt sind auch die Mithune, domestizierte indische Bisons (Gaur) immer wieder unsere beeindruckenden Begleiter. Sie sehen ob ihrer Größe, der wuchtigen Hörner und des finsteren Blickes furchteinflössend aus, sind in der Tat aber sehr friedfertig. Das merken wir, als wir unser Camp für die Nacht erreichen, welches von gewaltigen Kuhfladen bedeckt ist, da es sonst wohl deren Liegeplatz für die Nacht ist. Sie lassen uns gewähren und lagern halt direkt neben unseren Zelten. Überhaupt genießen sie hier oben ein privilegiertes Leben. Sie werden weder gemolken noch geschlachtet, lediglich zu rituellen Zwecken wir hin und wieder eines von ihnen zur Ader gelassen.

Im Camp selbst können wir die Fertigkeiten unserer Begleiter beim vielseitigen Einsatz von Bambus bewundern, den sie für eine Grillstelle, als Küchengeräte, Träger für Zelte und manch anderes gekonnt mit der Machete anpassen. Auch sind sofort zwei Lagerfeuer entfacht, eines für uns zum Wärmen und auf dem anderen wird fetter gepökelter Schweinebauch geröstet. Gegen 17:00 Uhr ist es stockdunkel, der Mond signalisiert hier auf über 2.000 m Höhe ein kalte Nacht. So nimmt es kein Wunder, dass wir nach den Strapazen des Tages und einem leckeren Abendessen bereits gegen 20:00 Uhr in unsere Zelte verschwinden.

Tag 8, Freitag 27.10. Ithun River

Früh wird es hell und zum Glück erwärmt uns bereits kurz danach die Sonne zum Frühstück. Die verbleibenden 9 km bis zum Mayodyia-Pass auf 2.665 m legen wir bei bester Laune mit einigen Pausen für die grandiosen Blicke zurück in die Ebene, aus der wir kamen zurück. Dort oben wissen wir, dass nach den anstrengenden 56 km des Aufstieges nun eine wegen der schlechten Straßenverhältnisse anspruchsvolle 54 km lange Abfahrt vor uns liegt. Es gibt tatsächlich einige haarsträubende Momente, aber bis kurz vor dem Camp geht alles gut. Dann reißt es mir beim Durchfahren einer geneigten rutschigen betonierten Furt das Rad weg und ich liege im Wasser. Zum Glück gibt es nur ein paar Schrammen und sicher Blutergüsse. Im schönsten Sonnenschein erreichen wir unser gut 1.600 m tiefer gelegenes Camp und genießen die Wärme und haben Zeit für alles, was nötig ist, bevor es wieder schnell dunkelt.

Tag 9, Samstag 28.10. Transfer nach Roing

Nach einer milden Nacht, einem kräftigen Rührei und Chapatis zum Frühstück sind wir zeitig auf den Rädern. Leider ist das heutige Abenteuer bereits nach 5 kräftezehrenden km zu Ende, da die Passage an mehreren Stellen zwecks Ausbesserung gesperrt, nach Sprengungen sowie durch Erdrutsche und Gerölllawinen komplett unpassierbar ist. Die Umgebung oberhalb des Flusses ist atemberaubend schön, weshalb es uns trotz des schwierigen Untergrundes doppelt schwer fällt vernünftig zu sein und unsere Pläne neu zu justieren, um den Rückflug in die Zivilisation nicht zu gefährden. So beschließen wir, bereits heute den Rücktransfer nach Roing anzugehen, um dann noch Zeit für weitere Radfahrtage in der Ebene zu haben.

Tag 10, Sonntag 29.10. Lohit River bei Tidding

Im Morgengrauen 2 h Transfer über Tezu zum Lohit View Point, wo unser Abenteuer in Richtung östlichster Punkt Indiens mit einem schön zu fahrenden 11 km langen Anstieg zum Udayak Pass beginnt. Wir erklimmen dabei ca. 450 HM und verlieren bei der sich anschließenden ca. 30 km langen Abfahrt nach Tidding gut 1.100 HM. Dabei dürfen wir zunächst das mäandernde Flussbett des Lohit aus der Vogelperspektive bewundern und auf der anderen Seite sind es die gar nicht so weit entfernten schneebedeckten Riesen des Osthimalaya , die uns gefangen nehmen.

Dies ist eine strategisch extrem wichtige Region für Indien gegenüber China. Hier fielen beim Krieg beider im Jahre 1962 die ersten Schüsse. Auch heute begegnen uns fast ausschließlich Militärfahrzeuge. Umso friedlicher ist dann unser heutiges Camp auf einer Sandbank direkt an einem Seitenarm des Lohit-Flusses. Wir sind allein in einer spektakulären Naturlandschaft und können unser Glück kaum fassen.

Sogleich nehmen wir ein sehr erfrischendes Bad in einer ruhig
en Wanne des sonst ungestüm hinabfließenden Gletscherwassers. Unser Guide parkt unsere Räder auf unkonventionelle Art, indem er mit der Hand Mulden in den Treibsand gräbt und in diesen die Fahrräder fast schon militärisch korrekt parkt. Im hohen Dünengras richtet das Team unseren Toilette in Form eines regelrechten Thrones ein, von welchem man „beim Geschäft“ einen wunderbaren Ausblick hat, selbst aber trotz fehlender Blenden nicht gesehen wird – einmalig originell. Den lauen Abend genießen wir stundenlang bei Mondschein an einem kleinen Lagerfeuer direkt an den Fluten des Lohit River. Alles ist ganz einfach, ganz natürlich und strahlt eine ruhige positive Energie auf uns aus. Wir alle werden erst nach 9-10 Stunden entspannten Schlafens wieder in unseren Zelten erwachen.

Tag 11, Montag 30.10. Hayuliang

Allerdings sind es Regentropfen, die uns durch ihr Prasseln ans Außenzelt wecken. Egal, wir lassen uns nicht verdrießen und starten unseren weiteren Weg gen Osten voller Vorfreude. Nach kurzem Radeln ist es ein erster nicht enden wollender Militär- Konvoi, der uns eine gefühlte Ewigkeit am Straßenrand zum Warten verdammt. Zwar wird der Regen in der Zwischenzeit etwas stärker, aber das anspruchsvolle Auf und Ab am Lohit River und seinen immer wieder zu querenden Zuflüssen in dieser spektakulären Hochgebirgslandschaft läßt uns die Unbill kaum wahrnehmen. Das Radfahren macht einfach zu viel Spaß. Nach etwa 4 Stunden haben wir Hayuliang, unser heutiges Ziel, nach knapp 40 km und dabei bewältigten gut 600 HM erreicht. Es ist dies eine wichtige Garnisionsstadt auf dem Wege zur noch gut hundert Kilometer entfernten Grenze zu China. Für uns wie für alle Nichtinder geht es hier – geplant -nicht weiter. Nach einer kurzen freundlichen Aufwartung bei den Herren vom Inlands- Geheimdienst dürfen wir die kommende Nacht in einem sehr einfachen und nach Renovierung flehenden Gästehaus der Regierung verbringen. Immerhin, Tee und Essen schmecken vorzüglich, wir haben im Dauerregen ein riesengroßes trockenes Zimmer und können gelassen dem morgigen Rücktransfer entgegen sehen.

Dieser ist den topografischen Besonderheiten Arunachal Pradeshs geschuldet. Egal in welche Richtung wir dieses Juwel beradeln, sei es nach Norden oder Osten, immer enden die Straßen irgendwann vor der nahen Grenze zu China und wir müssen den meist zeitraubenden Rücktransfer auf gleichem Wege in Kauf nehmen. Das ist so zu sagen die Kehrseite der Medaille, die es aber unbedingt lohnt, auf sich zu nehmen.

Tag 12, Dienstag 31.10. Transfer zurück nach Tezu und Radetappe bis Rupai

Im Morgengrauen beginnen wir unsere Rückkehr aus den Bergen in die Ebene und schließen dann ungeplant gut 80 km auf dem Rad in Richtung Dibrugarh an. Zur Belohnung dürfen wir die Nacht und den kommenden Morgen am Ufer des Heiligen Brahmaputra in der schlichten Kahuwa Eco Lodge des uns gegenüber auf einer Insel im Fluss liegenden Vogelreservates im Dibru Saikhowa Natipnalpark verbringen. Wir kommen erst im Dunkeln an und werden sofort von den vieltausendfachen Stimmen der Natur gefangen genommen. Es gibt mal wieder keinen Strom, nur der fast volle Mond zaubert eine geradezu mystische Stimmung ins kleine Camp.

Unbedingt erwähnenswert ist unser Mittagessen in einer Dhaba der Singpho-Minorität. Neben dem obligatorischen im Bananenblatt servierten Klebreis sind es der gedünstete Fisch und verschiedene ebenfalls gedünstete Gemüse, teils als Suppe, die in der Summe ein unvergleichlich leichtes, dezent scharf abgestimmtes Mahl ergeben, welches wir in einem traditionellen Separe auf den Bambusmatten hockend genießen dürfen.

Für ein weiteres Highlight sorgt schon am Morgen Roheen, als er mit seinem voll beladenen Maruti Suzuki einen extrem steilen Anstieg über ein Schlamm- und Geröllfeld auf der Motorhaube seines Gefährtes hockend bewältigt. Leider habe ich es versäumt, diesen Moment in einer Videosequenz festzuhalten. Das hole ich garantiert im April bei der kommenden Tour nach. Es ist einfach zu spektakulär.

Tag 13, Mittwoch 01.11. Kahuwa – Dibrugarh

Erneut starten wir vor 6:00 Uhr in den bereits sonnigen Morgen. Heute sind es Brüllaffen in einem benachbarten Dorf, denen wir unsere Aufwartung machen. Angelockt von leckeren Bananen läßt der Pascha nicht lange auf sich warten und holt sich durch kurzes Herunterkommen aus dem Obergeschoß des Waldes geschickt seine Ration. Nach kurzer Zeit stellen sich auch seine Dame und mit ihr ein an ihr klebendes Baby ein. Da sie von uns freundlich willkommen geheißen und gut versorgt werden verzichten sie auf das sonst übliche ohrenbetäubende Gebrüll.

Kurz nach dem Frühstück besteigen wir dann 2 kleine Holzkähne und werden fachkundig durch das seichte Wasser eines Nebenarmes des Brahmaputra gestakt.

Tatsächlich erspähen wir viele Spezies unserer gefiederten Freunde und in der Ferne auch einen imposanten wilden Büffel.

Gegen 11:00 Uhr starten wir dann schon etwas wehmütig zu unserer letzten Radetappe nach Dibrugarh. Komplett flach im Profil fahren wir zunächst durch Teeplantagen parallel zum großen Fluss mit den imposanten Himalayazügen als Hintergrund. Wieder begegnet uns viel Militär, beeindruckend lang ist heute die Einfassung der östlichsten indischen Air Base Dinjan. Je näher wir schließlich unserem Zielort kommen, umso „indischer“ wird auch der Straßenverkehr. Vorbei ist es mit der Ruhe und Abgeschiedenheit der letzten Tage. Egal, wir sind dies ja gewöhnt und irgendwie macht es wieder Spaß sich durch das typische Gewusel zu bewegen.

Nach dem Duschen erleben wir auf dem Deich des Brahmaputra einen Bilderbuch-Sonnenuntergang, sekundiert vom die Regentschaft übernehmen Fast-Vollmond.

Beim Abschieds-Dinner mit unseren hilfreichen Begleitern der vergangenen 2 Wochen stellen wir fest, dass uns in der zweiten Woche die Natur zwar zu deutlichen Abweichungen von der geplanten Tour zwang, dies aber für uns nicht minder interessante, vorher ungekannte Akzente mit sich brachte. Dennoch werden wir beim nächsten Mal versuchen, bis Anini und ins Acheso-Tal zu kommen, um die tief mit der Natur verbundenen Mishmi-Stämme noch intensiver kennenzulernen. Auf die letzte Nacht in Dibrugarh werden wir gern zu Gunsten des Kahuwa Eco Camps verzichten.

Tag 14, Donnerstag, Rückflug Dibrugarh -Delhi

Entspanntes Ausklingen am Morgen mit einem schönen Spaziergang auf den zur Fitness-Meile gewandelten Deich zum nahen Brahmaputra. Im Überflutungsbereich befinden sich ausgedehnte Slums, die aber gut organisiert sind, eigene Läden haben und wohl für die gesamte Stadt die Waschmaschine oder  Dhobi Ghats  an und in der braunen Brühe sind. Im Gegensatz zum Mekong nutzen Sie hier den überaus fruchtbaren Boden während der Flachwasserzeit nicht zum Gemüseanbau. Ist wohl wegen der geringen Bevölkerungsdichte auch nicht nötig. Die Menschen sehen nicht so aus, als ob es ihnen an Essen fehlte, ehr im Gegenteil. Morgens befleißigen sich daher ganze Heerscharen vor allem mehr oder weniger beleibter Berufssoldaten mit lustig anzuschauenden Übungen in der Ertüchtigung ihrer oft nicht mehr ganz so geschmeidigen Körper. Gut nur, dass das die Chinesen nicht sehen.

Beim mittäglichen Einchecken zum Rückflug nach Delhi sind wir für die meist gelangweilten Angestellten am Airport die Attraktion. Endlich mal etwas Abwechslung in einem wohl eher tristen Alltag – so scheint es uns zumindest. Viele tragen scharf geladene Waffen, sind aber überaus freundlich zu uns.

Welch ein Unterschied erwartet uns dann aber in der abendlichen Rush hour in Delhi. Für die 24 km vom Flughafen zum Hotel in Pahar Ganj, wo sich Alt- und Neu Delhi treffen, benötigen wir satte 1,5 Stunden. Trotzdem genießen wir die Stunden im Getümmel, bevor uns unsere Wege in die verschiedenen Richtungen zu neuen Abenteuern oder zurück in die Heimat führen.

Fazit: Es ist eine mental wie körperlich fordernde Tour in einer vom Tourismus bisher kaum behelligten Gegend. Wer als Radler mit schwierigem Untergrund klar kommt und für einige Zeit auf westlichen Kom
fort zu verzichten bereit ist, kann aus den Begegnungen mit den hier meist noch im Einklang mit der Natur lebenden Mishmi-Stämmen einen großen persönlichen Gewinn erzielen. Auch kommen Fragen auf, ob unsere Lebensweise nicht rücksichtslos gegenüber Mutter Erde und denen, die hier noch in Zukunft leben wollen, ist.

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