Rubber/Kautschuk? – Wovon das „Hinterland“ lebt

Die Kerala wie kaum etwas anderes prägenden Backwaters ziehen sich von Nord nach Süd in einer Breite von manchmal nur wenigen Hundert Metern bis zu 20 km direkt im Anschluss an die Küstenlinie ins Landesinnere, von Ost nach West unterbrochen nur von den 44 Flüssen, die den Bergen der Western Ghats entspringend, ihr mitunter gewaltiges Dasein nach  nur kurzem Gewähren in der ewigen Brandung des Indischen Ozeans aufgeben. Als „Sandwich“ zwischen Backwaters und den steil aufragenden Massiven der Ghats gepresst, ist der zwischen beiden liegende hügelige Landstrich seit alters her einer der Hauptsiedlungsbereiche Keralas. Gern streife ich ihn auch bei meinen Touren mit dem Rad – schön schattig und nicht zu anspruchsvoll. Die „richtigen“ Berge hat man mitunter nah vor Augen, fährt sie aber nicht mit dem Rad ab.

Es ist seit Generationen das Land von Kautschuk (Rubber) und Teakholz, zunehmend zersiedelt und wird von den Einheimischen heute vor allem als Wohn-, respektive Bauland geschätzt. Man ist hier in einer üppig grünen Natur, die rund um das Haus so fast alles gedeihen lässt, was man sich wünscht, oder was man irgendwann mal achtlos weggeworfen hat. Dass fast jede Familie hier einen Angehörigen hat, der in den Golfstaaten den Wohlstand der Sippe mehrt, sieht man an der von Jahr zu Jahr zunehmenden Anzahl überdimensionierter Wohnsitze, oft regelrecht kleiner Paläste mit eigener Zufahrt, Säulenportalen, Türmchen und allerlei Schnickschnack. Von hier hat man auch kurze Anfahrtswege zu den internationalen Flughäfen von Trivandrum und Cochin. Aufgrund ihrer Funktion als Tor in die Golfregion, welches täglich von Tausenden Einheimischen in beide Richtungen passiert wird, sind diese in den letzten Jahren auf durchaus internationalen Standard gebracht worden.

Damit ist klar, dass es heute zu einem erheblichen Teil die außerhalb Indiens erworbenen Einkünfte sind, die den unübersehbaren Wohlstand der Region ausmachen. Das hohe Bildungsniveau, die Topausbildung führt weltweit zu einer großen Nachfrage nach Spezialisten aus Kerala und zahlt sich somit direkt für die Menschen hier aus. Sie arbeiten als Ärzte, Anwälte, IT-Spezialisten, Hotelmanager sowie im Banken- und Versicherungssektor. Natürlich sind es auch – oft aus moslemischen Familien – Bauarbeiter, Krankenschwestern und viele weibliche Haushaltshilfen, die monatlich ihr Geld nach Hause überweisen.

Aber auch der Tourismus bringt zunehmend Geld in die Kassen der Region. Es gibt hier einige wunderbare Vogel- und Wildreservate, die zur Beobachtung der frei lebenden Spezies einladen. Für Naturliebhaber und „Durchreisende“  sind eine Reihe sehr individueller Homestays und kleiner Hotels entstanden. Auch gibt es kaum mehr die klassischen rotbraunen Pisten, über die wir noch vor kurzem geradelt sind. Beim Ausbau der Straßen, auch der kleinsten Wege in und zwischen den Dörfern, hat sich in den letzten 2-3 Jahren eine dramatische dampfende schwarze Teerwalze übers Land bewegt. Es radelt sich zwar deutlich leichter, aber die vergangene Idylle und Ruhe wird nicht wiederkehren, auch wenn der Verkehr heute noch überschaubar scheint.

Und ja, es gibt sie nach wie vor, die Kautschuk-Plantagen und viele kleine diesen Naturgummi verarbeitenden Betriebe. Auch Teakholz wird heute weiterhin geschlagen und für die weitere Verarbeitung und den Export vorbereitet – angeblich auf einer nachhaltigen Basis. Davon spricht zumindest das Teakholz-Museum, welches wir, wie auch die genannten Produktionsstätten, bei unseren Touren besuchen. Alles ist aber von seiner Bedeutung für die Region in den vergangenen Jahrzehnten hinter die zuerst genannten Einkommensquellen gerutscht. Für uns als Beobachter ist dies aber kein Nachteil, eher umgedreht, kann man doch fast schon verloren geglaubte Lebens- und Produktionsweisen erfahren, was allemal interessanter ist, als die Uniformität der Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts mit seinen gesichtslosen Glas-Stahl-Palästen, ob sie nun in Bangalore, Dubai oder irgendwo in China stehen.

Und wer es mag oder gar wirklich benötigt, kann hier einige ayurvedische Einrichtungen jenseits der boomenden Touristik-Zentren finden, authentisch und fast ausnahmslos von den Einheimischen aufgesucht. Wir führen auch sie dahin – zum Schnuppern. Wenn sie mehr wünschen oder benötigen, vermitteln wir das über meinen einheimischen Partner Josey gern.

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