Alleppey Beach oder nicht’s wie an den Strand!

Es ist Ende November. Draußen sind angenehme 32 Grad, die Sonne scheint, also nicht’s wie raus an den Strand! Oder was fiele dem gestressten Stadtmenschen sonst noch ein? Nun ja, wir sind im südindischen Alleppey und nicht am Berliner Wannsee oder sonstwo in Mitteleuropa Ende August.

Der Besuch an diesem schönen Stückchen Erde ist auch hier lohnenswert, erholsam und garantiert mit Spass, vielen neuen Bekanntschaften und dem damit einhergehenden Erkenntnisgewinn verbunden. Wenn man die Chance dazu hat, sollte man diesen Streifen zu beiden Seiten der alten Seebrücke schon wegen seiner historischer Wichtigkeit unbedingt mal besuchen. Bis in die 1980er Jahre hinein wurden über das noch von den Briten errichtete stählerne Monster Warenströme abgewickelt, vor allem Reis, Kokos-, und Kautschuk-Produkte, Tee, Kaffee und Gewürze aus dem fruchtbaren Hinterland der Stadt.

Auch wenn der Umschlag der genannten und vieler weiterer Waren seitdem ausschließlich über den 60 km nördlich gelegenen Hafen von Cochin abgewickelt wird und schon ebenso lange kein Schiff mehr angelegt hat, so gibt es hier doch immer noch eine funktionierende Hafenverwaltung – wofür eigentlich? –  in einem schmucklosen Kasten direkt hinter dem ehemals imposanten Gebäude aus besseren Tagen. Dieses Kleinod in allerbester Lage verrottet ebenso spektakulär und von Einheimischen wie indischen Besuchern achselzuckend ignoriert, wie die Seebrücke in Sichtweite…

Dabei könnten beide mit überschaubaren Mitteln zu wahren Attraktionen des sich stürmisch entwickelnden innerindischen Tourismus umgebaut werden. Täglich flanieren hier Hunderte, an den Wochenenden Tausende vom Meer faszinierte und doch davor Angst habende Inder entlang dieser ehemaligen Wahrzeichen der Stadt.. Was würden die wohl dafür (aus-)geben, wenn sie auf einer stählernen Brücke mehrere hundert Meter übers hier flache Meer laufen könnten, um dann in einem Kaffee oder Restaurant, idealer Weise mit Glasboden, das Erlebnis ihres Lebens mit der Familie oder Freunden zu teilen? Wieder zurück auf festem Boden könnte man sich dann im restaurierten Gebäude der Hafenverwaltung und dem dahinter liegenden viktorianischen Leuchtturm über die maritime Vergangenheit informieren. Leider hat die Stadtverwaltung eine Prioritätenliste, auf der diese Ideen nicht annähernd vorkommen. So bleibt die Hoffnung auf private Investoren mit Visionen und Geschichtsbewusstsein. Sagen Sie es bitte weiter!

Von den stadtnahen Stränden an Keralas Küste ist der Alleppeys mit Sicherheit einer der am wenigsten hässlich verunstalteten und auch weniger vermüllt, als so mancher andere. Aber vieles, was einmal zur Erbauung der Erholungsuchenden angelegt wurde, ist kaum noch zu erkennen und bedarf – zumindest aus meiner begrenzten Sicht – einer dringenden Renovierung. Angefangen wird derzeit mit der Instandsetzung eines Kinderbelustigungsparkes noch aus der Nehru-Zeit, immerhin.

Die indische Seele nimmt all dies wieder einmal sehr gelassen. Die jüngeren männlichen Strandbesucher sind fasziniert von der räumlichen Unendlichkeit, die hier für das geliebte Cricket-Spiel zur Verfügung steht und nutzen diese vom Sonnen-Auf- bis zum Sonnenuntergang, mindestens. Mehr braucht doch kein Mensch, zumindest hier noch nicht. Oder doch? Zumindest an den Wochenenden sichte ich hin und wieder aus unseren Breiten bekannte Gerätschaften des Zeitvertreibes am Wasser wie Trampolins, Hüpfburgen oder Kletterwände.

Der direkte Abschnitt, wo die heute an einen Binnensee erinnernde Brandung geradezu schüchtern den feinen Sand streichelt, gehört unübersehbar den Familien. Diese tummeln sich hier zu Tausenden, meist in ihrer feinen Sonntagsgarderobe. Kein Fuss bleibt trocken, bei vielen ist der feine Zwirn bis ans Knie durchnässt und manche ganz mutigen Herren sind auch kurz mit dem ganzen Körper untergetaucht. Aber keiner wagt sich wirklich mehr als 1-2 Meter ins Nass. Im Gegensatz zu den bekannten Badeorten Varkala Beach oder Kovalam Beach gibt es hier keine Strandpolizei, die eh nur durch den exzessiven Gebrauch ihrer Trillerpfeifen auffällt – wofür sollte man sie hier auch brauchen?

Das macht es zumindest uns und den paar anderen Weißen, die wahrscheinlich von den Hausbooten ausgebüxt sind, leichter, ohne lange Debatten das geliebte und heute völlig ungefährliche Seebaden zu genießen. Wir werden schon argwöhnisch bestaunt, als wir unsere Räder durch die hier sicher 200 m breite Düne bis direkt ans Wasser schieben. Als wir dann noch eine halbstündige Runde im Meer drehen und gegen die Sonne und die Dünung längere Zeit gar nicht mehr zu sehen sind, trotzdem aber entspannt und wohlbehalten dem viel zu warmen Nass entsteigen, empfängt uns ein merkwürdiger Mix aus ungläubigem Staunen besonders bei den Frauen und geradezu frenetischem Jubel ob unserer Leistung bei den Kindern. Besonderes Interesse findet dann auch, dass wir unsere Badesachen mitten unter Ihnen unter einem grossen Strandtuch problemlos gegen trockene Kleidung tauschen. Sogar die beiden Frauen unter uns tun das. Ein Thema, das vor allem den einheimischen Damen keine Ruhe lässt. Aber alle lächeln uns zu, offensichtlich haben wir nichts wirklich falsch gemacht.

An der Strasse hinter der Düne reiht sich Teestube an Cafe, Lokal an Eisdiele, hinzu kommen ungezählte fliegende Händler mit ihrem  Tand. Ein schöner Ort, in der schon tief stehenden Sonne noch einen unglaublich aromatischen Kerala Coffee zu genießen und dann rauf auf’s Rad und zurück in die Backwaters. So spät im Jahr wird es auch hier etwas eher und noch schneller als sonst dunkel.

Übrigens gibt es am nördlichen Teil des Strandes, gerade gegenüber vom erwähnten Vijay-Kinderpark, nach all dem morbiden Charme der schwer in die Jahre gekommenen Marina dezent in einem tropischen Garten versteckt auch eine sehr gepflegte Anlage – den Sitz des hiesigen Bischofs samt einer kleinen Kapelle. Die Vertreter des Heiligen Stuhles wissen also nicht nur im fernen Deutschland gut zu leben.

Wobei die Priester, die ich hier kennengelernt habe, sehr unkomplizierte und freundliche Zeitgenossen sind. Während unserer letzten Tour passierte es mir gleich an zwei Tagen hintereinander, dass sich Motorradfahrer – einer davon im weißen Talar – unserem Tempo anpassten, das Gespräch suchten, sich dabei als Vertreter der katholischen bzw. syrisch-orthodoxen Kirche vorstellten und unserem weiteren Weg auf den Strassen Indiens sozusagen im Vorbeifahren den Segen Gottes erteilten….

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