Wir erfahren Indien!

Was lange währt, wird sicher auch in diesem Fall gut. Zwei Jahre habe ich gemeinsam mit Josey darauf hin gearbeitet und nun, so kurz vor Weihnachten 2013 , empfange ich in Bombay/Mumbai unsere erste ausschliesslich deutsch sprechende Gruppe von Radelenthusiasten, um in des Wortes vielfältigster Bedeutung gemeinsam Indien zu erfahren.

Welcher Startort kann hierfür besser geeignet sein, als die vor Vitalität strotzende Wirtschafts- und Bankenmetropole am indischen Ozean, die sich immer wieder neu erfindet und trotz aller scheinbar erdrückenden Probleme eine knisternde Energie und den ansteckenden ungebrochenen Optimismus aller hier Lebenden vermittelt. Genau die Grundstimmung, die mir so zusagt. Egal, unter welchen oft schwierigen Bedingungen die Menschen hier leben – sie sind Macher, sie lachen laut und viel, sind auffallend freundlich, hilfsbereit und sehr geschäftstüchtig noch dazu. Achtung!

Zunächst erfahre ich es, der ich einen Tag vor den anderen anreise, um alle organisatorischen Dinge „rund“ zu machen. Die sehr hilfsbereiten Kollegen vom Garden Hotel in Colaba in Bombays altem Herzen hören sich also meine gesammelten Planungen freundlich an. Wirklich zur Kenntnis nehmen sie nur, dass ich am Samstag, dem Anreisetag meiner Teilnehmer mehrere Transfers zum Internationalen Flughafen und zurück zum Hotel benötige. Diese organisieren sie perfekt. Weitergehende Wünsche für die kommenden zwei Tage scheinen sie schlicht zu ignorieren. Auf Nachfrage bedeuten sie mir freundlich, die weiteren Fragen jeweils am Vorabend abzustimmen. Warum sich jetzt schon mit Dingen beschäftigen, die noch nicht anstehen? Das verwirre doch nur und behindere die Erledigung der gerade anstehenden Themen. Genau das habe ich zwar schon öfter in Indien erlebt, aber nun habe ich es wirklich verinnerlicht. Hoffentlich!

Auf den teils rasanten, teils zermürbend langsamen Fahrten zum und vom Flughafen erfährt der Neuankömmling gleich einmal den ganzen Facettenreichtum dieses nicht zu fassenden Universums, das seit fast 20 Jahren Mumbai genannt werden will. Kaum heraus aus den zentralen Vierteln wird gebaut, was das Zeug hält. Je näher wir dem Flughafen kommen, umso mehr. Die jahrzehnte alten Slumsiedlungen sind nur noch ansatzweise an den Strassen als solche erkennbar. Dahinter reihen sich immer neue Appartment- und Bürohäuser sowie Hotels in den Himmel. Neben ihrer Anzahl und Größe beeindrucken sie auch durch ihre Formen und Farbgebung. Neben der Masse gestatten die offensichtlich potenten Investoren den Architekten hier durchaus individuelle Lösungen.

In der Summe ergibt dies eine skyline, die einem vom Ausflugsboot nach Elephanta ins Schwärmen bringt. Im Gegensatz zu anderen Metropolen dieser Welt macht die Stadt darum kein Gewese. Sie hat es schlichtweg nicht nötig. Das millionenfach von Touristen und Einheimischen verewigte Standardmotiv Bombays mit Gateway of India und den renovierten Taj Palace Hotels wirkt noch immer beeindruckend, dabei irgendwie verstaubt, puppenstubenhaft. Prüfe es jeder selbst.

Dies sinnierend tauchen schon vor uns im Dunst der Bucht von Bombay gigantische Tanker und Containerschiffe auf, die ihre gewaltige Fracht weit vor den Toren der Stadt und irgendwie doch mittendrin löschen. Souverän passiert dann der Koloss des ersten indischen Flugzeugträgers unserer Route. An Bord entspinnt sich eine heftige Debatte darüber, wie viele Schwesterschiffe er inzwischen wohl schon hat. Wir finden keine Lösung auf diese Frage und zumindest wir Europäer fühlen uns nicht wirklich gut und spinnen diesen Gedanken nicht ins Endlose.

Als wir in Elephanta Island von Bord gehen tut sich auf der gegenüberliegenden Seite im Dunst schon auf dem Festland eine weitere Hochhaussilhouette auf. Hier leben die Hunderttausende derer, die die Stadt zu dem machen, was sie ist – die wohl pulsierendste und potenteste Wirtschaftsmetropole Asiens!

Das Unesco-Weltkulturerbe Elephanta Island ist dann die beeindruckende und schweißtreibende Erfahrung, wie ich sie seit 30 Jahren kenne. Hinzu gekommen sind unzählige Verkaufsstände auf dem Weg nach oben zu den Höhlen, die gerade am Sonntag von den Einheimischen begeistert angenommen werden, wie auch die Schmalspurbahn, die den Weg über die Lagune auf fragwürdige Weise abkürzt.

Aber auch der klassische Bombayliebhaber wird weiterhin begeistert sein. Das Gewusel auf den Märkten ist seit jeher von einer ameisenhaften Quirligkeit und Effizienz geprägt. Die legendären Dhaba wallas tragen noch immer mit unnachahmlicher Präzision das Essen in die Büros, die Dhobi wallas die Wäsche zu ihren Kunden. Die Börsenmakler und Bankangestellten kommen wie immer am Nachmittag zu Tee und Snacks auf die Strasse. Täglich wird man Zeuge ausgelassener Hochzeitsgesellschaften ebenso wie von ganz selbstverständlich im öffentlichen Raum stattfindenden Trauerzeremonien. Auf dem Maidan spielen die jungen Männer wohl täglich mindestens 24 Stunden Cricket. Der abendliche Spaziergang in den hängenden Gärten ist so entspannend wie vor 25 Jahren, die Bombay Bel Puris so köstlich wie immer und wie seit ewigen Zeiten verwischt der Indische Ozean nicht nur am Chowpatty Beach so manche Spur des Tages…

Gemeinsam mit meinen Gästen können wir dann am Abend die Stadt noch von einer Wolke aus betrachten. Auf dem Dach des Godwin Hotels kann der Besucher der Bar „Cloud No. 9“ einzigartige Blicke auf das benachbarte Taj Palace, das Meer und ganz Colaba geniessen.  Welch ein Erlebnis, das ich jedem Besucher der Stadt unbedingt ans Herz legen möchte.

Nicht weniger intensiv, aber ganz anders, da mittendrin in den Massen drängelnder und schwitzender Inder geht es dann am nächsten Morgen von der Dadar Station aus mit Konkkan Railways auf nach Goa.  Zum Glück sind es nur wenige Wochen, bis ich wieder in diese magische Stadt zurückkehren darf…

Bombay, ich freue mich auf Dich und Deine Bewohner!

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