Langtang – Trek der Aussichten

Dieses beeindruckende Himalaya-Massiv mit dem Langtang Lirung als 7.227 Meter hoher Krönung war ewige Zeiten das einzige von den ganz großen, welches auch aus dem Kathmandu-Tal sichtbar war. Das dem heute nicht mehr so ist liegt nicht an den Bergen. Diese sind in ihrer Einmaligkeit weiterhin das Ziel einer nicht enden wollenden Schar von begeisterten Wanderern aus der ganzen übrigen Welt.

Im Gegensatz zu den allermeisten anderen sind wir vor fünf Tagen vom obligatorischen Startort Shyapru Besi aus nicht den direkten Weg ins Tal des vom Langtang-Gletscher gespeisten gleichnamigen Flusses hinauf nach Lama Hotel, dem ersten empfohlenen Rastplatz, gegangen. Unser „Umweg“ über den Tamang Heritage Trail  hat mehrere Vorteile. Wir sind inzwischen gut an die Höhe und an die kommenden Aufstiege angepasst. Wichtiger noch aber. Wir haben täglich mit den hier lebenden Tamang deren Alltag geteilt, prägende Einsichten in ihr hartes Tagwerk erhalten und uns selbst dabei in unserer jeweiligen persönlichen Situation in all der entspannenden, dabei ungewohnt anstrengenden Ruhe reflektieren können. Ein unglaublicher Effekt, welchen man erst mit erheblicher Verzögerung, dafür umso intensiver wahrnimmt –  wenn man denn dafür offen ist.

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Nach dem Abschied in Sherpagaon (siehe Blog „Tamang Heritage Trail“) dauert es tatsächlich nicht lange und wir treffen auf die ersten schwitzend aus dem Tal aufsteigenden Wanderer. Wir sind nun auf dem Haupt-Trail hinauf zum Langtang-Massiv. Waren es in den vorangegangen fünf Tagen gerade einmal drei Ausländer, auf die wir trafen, so sind es in den ersten 20 Minuten, die wir den Weg nach Lama Hotel teilen, ihrer bereits eine gefühlte Busladung. Zum Glück befinden sich fast alle auf dem Rückweg. Die wenigen nach oben „Trottenden“ sind ob des gerade bewältigten fordernden Anstieges an ihrem ersten Tag viel zu kaputt, um ein klares Signal zu geben.

Wie bereits gewohnt sind wir sofort bei unserer Ankunft in Lama Hotel inmitten der großen Gastgeber-Familie. Unseren ersten kräftigenden Tee genießen wir mit ihnen in der Küche. Die Hausherrin widmet sich anschließend wieder in der Gaststube dem Weben traditioneller Schals aus Yak-Wolle. Meist benötigt sie 2-3 Tage für einen einzigen. Die Herren  des Hauses spielen dann mit Pasang Karten und ich mache mich mit der Kamera und endlich auch dem großen Objektiv auf die Suche nach passenden Motiven. Am Rand des Dorfes, besonders am geradezu gewalttätigen Bergbach werde ich mehr als fündig.

Da wir in vier Tagen auf dem Rückweg vom Langtang-Massiv hier erneut nächtigen werden nutzen wir die Möglichkeit, unsere Rucksäcke von allem unnötigen Ballast weiter zu befreien und diesen hier zur Zwischenlagerung abzugeben. So brechen wir am kommenden Morgen nach dem obligatorischen kräftigen tibetischen Frühstück um einiges an Gewicht erleichtert auf in den nun folgenden Aufstieg nach Langtang. In den kommenden Stunden gilt es, gut 1.000 Höhenmeter zu überwinden.

Obwohl es früh am Tage ist, sind wir von Beginn an in Begleitung von Trägern und Muli-Herden. Wie es auf jeder europäischen Autobahn die Trucks tun, so beanspruchen sie hier die „rechte Spur“, die hier natürlich in der Form nicht existiert. Klar, es gibt nur diesen Weg nach oben und über den läuft alles. Alles! Das wird mir spätestens klar, als wir sowohl beim Auf-, als auch beim Abstieg jeweils Trupps von Trägern mit Zementsäcken und Stahlträgern für ein kleines Wasserkraftwerk und den dazugehörigen Damm oberhalb von Langtang Village   treffen. Es sind meist noch Jungen, die sich hier verschleißen. Aber anders scheint es einstweilen nicht zu laufen. Ihre Väter haben wohl inzwischen kaputte Kniegelenke oder der allabendliche „local wine“ hat sie geknickt?

Wir selbst sind immer wieder sprachlos ob der Ausblicke in die zunehmend mystischer erscheinende Bergwelt. Gleichzeitig kann das geschulte Auge des Naturfreundes hier Himalaya-Blauschafe auf entfernten Weiden entdecken. Näher dran zeigen sich verschiedene Hirsche und ganz nah die offensichtlich gerade ihre Brut schützenden Adler. Und vieles kleinere mir mehr oder weniger bekannte Getier dann auch immer wieder mal…

Das Dorf Langtang ist dann doch schon eine etwas rauere Gegend. Immerhin hat es neben den Wohnhäusern der Einheimischen gleich neben unserem Homestay ein Kloster, die Schule, ein kleines medizinisches Zentrum inklusive Helikopter-Landeplatz, eine kleine Yak-Käse-Fabrik und einige „Shops“, die es in der Form, also ihrem Produkt-Mix so wohl nur hier im Himalaya oder vielleicht noch in den Anden geben wird.

Da von unten die Wolken den Nachmittag verdunkeln und den unvermeidlichen Regen kräftig abladen, finden wir uns eher als geplant in der Wohn-Küche im Homestay mit den Einheimischen wieder. Ich darf beim Säubern der Chillies und weiterer Gemüse behilflich sein, frischen Knoblauch abpellen und bin damit für die älteren Damen des Hauses wohl eine kleine Attraktion?

Nach dem heutigen Aufstieg auf ca. 3.400 Meter stelle ich doch einige verblüffende Dinge fest. Zuvorderst haben sich die Preise für fast alle Produkte, die von den Trägern hier hoch getragen werden, über Nacht um das 2,5 – 3-fache erhöht. Das scheint mir immer noch ok, da ich selbst erlebt habe, wie die Typen schuften müssen. Leider wird wohl nur der geringste Teil der Mehrkosten bei denen verbleiben, die die eigentliche Arbeit leisten. Dies bestätigt mir die 25-jährige Köchin unseres Hauses. Sie holt regelmäßig Gäste aus Lama Hotel ab, trägt deren Gepäck nach oben und erhält das, wie wohl nicht nur hier üblich, unversteuerte Entgeld + Tips dann als verdiente Ergänzung ihrer mehr als bescheidenen sonstigen Entlohnung. Eine nepalesische Powerfrau dieser Tage!
Abends wird es nach dem von ihr exzellent bereiteten Essen schneller kälter, als ich es mir bisher vorstellen wollte. Trotz sichtbarer Eisflächen rund um das Haus am kommenden Morgen habe ich eine gute Nacht. Und nach dem tibetischen Frühstück gibt es kein Halten mehr. Fast allein machen wir uns auf den weiteren Weg, begleitet nur durch eine nette Französin und ihren offensichtlich noch sehr unerfahrenen „Baby-Guide“, oder doch schon „Boy-Guide“. 20 Jahre alt will er wohl erst noch werden. Was die Mädels, und sie ist schon eines der reiferen, wohl so antreibt?
Nach kurzen Foto-Stopps sind wir noch am Vormittag am Tagesziel Kyanjin Gumba. Und das verschlägt selbst hart gesottenen Trekkern – nicht nur wegen der knapp 4.000 Meter über dem Meeresspiegel – den Atem. Fast komplett rundum genießen wir hier eine Aussicht, die mich still macht. In der Sonne kurz vor dem Mittag schmelzen die verbleibenden Eiskristalle. Die kommenden zwei Nächte werden mit Sicherheit richtig kalt! Wir genießen einstweilen unseren heißen Tee. Einige neugierige Yaks kommen uns doch sehr nahe. Pasang scheint müde. Soll er doch den Nachmittag in der nun herrlich wärmenden Sonne zur Erholung nutzen.
Ich mache mich auf den Weg nach „oben“, heißt gen Norden, gen Tibet, genauer dorthin, wo sich der Langtang-Gletscher in die auch den Menschen zugänglichen Täler schiebt. Oder besser schob, denn von seinen früheren gewaltigen Ausmaßen kündet leider nur noch das Becken, in welchem sich ein zunächst eher behutsames Bächlein aufmacht, um wenig später ein lauter und reißender Gebirgsfluss zu werden.
Von der Orientierung her ist der Aufstieg rechts des Flusses sehr einfach, vom Profil her wohl eher das Gegenteil. Unerwartet schnell erreiche ich nach einem Pass ein Hoch-Plateau. Hier treffe ich auf eine Gruppe Einheimischer, einige von ihnen sichtlich unter Drogen-Einfluss. Prompt wollen sie mir auch erklären, dass es quer über den Gletscher einen kurzen Weg nach Tibet gäbe, von wo sie gerade her kämen . Ich schaue auf die beängstigende Wand nach Norden und lächele höflich. Niemals kommen die von dort her!
Die anderen wollen mit den geborgenen Wacholder-Zweigen schnell zurück ins Dorf. Ich bin ihnen wohl nicht geheuer. Schon sind sie auch weg und ich genieße die Einsamkeit in dieser biblischen Natur. Sagt mein Kopf – dabei ist es doch nur ein von Stürmen umtostes Geröllfeld im Himalaya. Die plötzlich aufkommenden Wolken ermahnen mich zum Rückzug. Noch weit vor dem Dorf überhole ich die gleiche Gruppe kräftig wankender Einheimischer, die ich  wenig später in der Nähe unseres Hauses  wieder treffe. Jetzt schreien und lallen sie noch mehr. Immerhin laufen sie keine weitere Gefahr, von irgendwelchen Unwettern, ausgenommen mal ihre eigenen Frauen, überrascht zu werden.
Direkt an der Rückseite der Küche unserer Herberge befindet sich ein Cafe, das Dorje Cafe + Bakery. Von Pasang erfahre ich, dass es Teil des Erbes des ersten Hoteliers hier am Ort hier an seine Söhne ist. Der erste ist nun Eigentümer unseres Hotels, der andere betreibt in der Saison das  Cafe, in welchem am Nachmittag die einheimischen Männer dem Kartenspiel frönen.
Sie sind aber nicht allein. Im Gegenteil, die gute Stube ist bestens gefüllt. Es ist warm hier drin, es gibt einen unerwartet guten Filterkaffee und – wie mir lautstark und freundlich in einem meinen Ohren durchaus geläufigen Dialekt mitgeteilt wird – den sicher besten Schokoladenkuchen außerhalb Österreichs, zumindest aber außerhalb von Salzburg. Aha, dann wissen wir ja, wo es lang geht und freuen uns schon mal auf den morgigen Aufstieg auf den Hausberg des Dorfes, den Kyanjin Ri (4.850m). Sicher sind die Waderln der lautstarken Dame in ähnlich überragendem Zustand wie ihre den Raum füllende Stimme. Übrigens hat sie absolut Recht mit ihrer überschwänglichen Bewertung des Kuchens hier. Auch der Kaffee sucht weit und breit seines gleichen. Es kommt zwar keiner nur deswegen hier her, aber es ist eine wunderbare Labsal, wenn man denn schon mal hier oben ist.
Die Sonne zieht sich hinter den Berg zurück und schon wird es eisig kalt. Unsere Wirtin hat den Herd gereinigt und heizt ihn sogleich neu mit den frischen Wacholderzweigen an. Ein wunderbarer Geruch erfüllt den ganzen Raum! Dazu werden in  der Sprache der Tamang mir unverständliche Gebete gemurmelt. Auf Nachfrage lerne ich, dass sowohl am Morgen als auch am Abend die Feuerstelle mit diesem duftenden Gehölz gereinigt wird. Diese Prozedur soll die Gottheiten gnädig stimmen und um Vergebung bitten für in der Zwischenzeit unter Umständen geschehene Verunreinigungen wie dem Verbrennen von Müll, Plaste oder ähnlichem.
Sei es drum, da es draußen schnell kalt wird, freuen wir uns über die sich spürbar verbreitende Wärme. Außerdem riecht es gut. Die gesamte Familie versammelt sich im Raum und freut sich auf das Abendessen. Dieses ist hier oben spürbar karger als noch am Vorabend, da es aufgrund des Klimas an Kräutern und frischem Gemüse fehlt. Immerhin gibt es frischen Yak-Käse und den obligatorischen salzigen Tee dazu. Und ich erhalte von der 25-jährigen Wirtin einen nicht ganz so ernst gemeinten Antrag, sie oder doch zumindest ihren einjährigen Sohn zu adoptieren. Okay, sie ist eine begabte Entertainerin und gibt diese Nummer wohl in der Saison allabendlich? Zu gern würde sie einmal was anderes sehen als ihr Dorf, von dem alle Touristen immer sagten, wie unglaublich schön es sei. Mag ja sein, sagt sie, aber im Winter, wenn hier noch gerade 10 – 12 Leute durchhalten würden, sei es mitunter nicht nur schwer, sondern wirklich gefährlich bei Temperaturen bis -30 Grad und nicht vorstellbaren Stürmen, die immer wieder die Dächer der Häuser beschädigten.
Die Nacht ist dann auch jetzt im Sommer schon richtig kalt. Am Morgen ist das Wasser draußen gefroren. Aber sie hat schon einen Kessel auf dem Feuer zu stehen und reicht uns mehr Wasser als nötig weiter, um auf der Wiese die Zähne zu putzen und unsere Katzenwäsche zu erledigen. Kaum beginnt die Morgensonne die Umgebung zu erwärmen, tippelt ihr kleiner Sohn barfuß über den Raureif und erfreut sich quietschend des neuen Tages.
So cool sind wir dann doch nicht. Aber gut gestärkt geht es nach dem Frühstück bei traumhaftem Wetter hoch in die umgebenden Berge. Auf dem Weg nach oben und auf dem ersten Gipfel treffen wir wieder unseren Ösi-Dreier vom Vortag und später dann noch einen Studenten-„Vierer“ aus Franken. Es wird, sprachlich zumindest ein deutscher Morgen und vor der unbeschreiblichen Kulisse von Langtang und den gegenüberliegenden Massiven ertönen urige Alpen-Jodler. Es ist ergreifend schön und überhaupt nicht kitschig.
Nach dem Besuch der hiesigen Yak-Käserei, die seit 1954 mit schweizerischer Unterstützung wunderbaren Käse nach alpenländischer Rezeptur produziert, versinken wir zum Abend mit den Eigentümern in lange Gespräche. Der jüngere wird in der kommenden Woche sein Cafe für die kommenden Monate schließen und in Tibet, genau in Lhasa, seine Qualitätsprodukte für noch deutlich höhere Preise verkaufen können. Der Ältere bleibt hier. Er wird, erfahre ich mit Erstaunen, für einige Zeit ins Kloster gehen, um seine Kenntnisse aufzufrischen. Wie das? Welche Kenntnisse? Er, als der Älteste? Viele Fragen tun sich auf…
Ja, bestätigt er. Erstens sei er nicht immer der Älteste gewesen. Der eigentliche sei bei einem Unfall auf den Weiden als Junge verunglückt. Da war er aber schon im Kloster. Deshalb musste er anschließend auch zurück, um die Familie zu unterstützen. Mönch konnte er also nicht mehr werden, aber immerhin erfülle er hier oben in der kleinen Gemeinschaft seine Funktion als Lama, so gut es eben gehe. Offensichtlich spiegelt meine Stirn so viele Fragen wider, oder frühere Gäste haben sie bereits gestellt, dass er lächelnd beginnt, sich zu erklären.
Offensichtlich haben wir im Westen eine Vorstellung von einem Lama, die abseits jeder hier oben gelebten Realität ist. Zunächst ist er ganz weit weg vom Dalai Lama, dem religiösen Oberhaupt aller tibetischen Buddhisten. Auch ist er weit weg von einem Mönch in einem buddhistischen Kloster, der weit über ihm stehe, da er sich seit Kindestagen dem Studium und der Interpretation der Lehren Buddhas widme, sich künstlerisch betätige und selbst durch all sein Handeln der Erleuchtung nähere – wenn ich das dermaßen verkürzt hoffentlich nicht verfälscht darstelle.
Lamas hingegen gebe es in den Dörfern vergleichsweise viele. Ihr Titel leite sich daher, dass sie diejenigen seien, die die heiligen Schriften lesen und selbst tibetisch schreiben könnten, da sie selbst eine mehr oder weniger lange Zeit als Mönchs-Schüler in einem Kloster verbracht hätten und in ihren Gemeinden Klöster gründeten oder weiter führten. Bis zum heutigen Tage erfülle es jede hiesige Familie mit Stolz, zumindest einen ihrer Söhne oder eine ihrer Töchter in einem Kloster zu wissen. Dies sei für die Stellung in der dörfliche Gemeinschaft ein wichtiger Punkt. Unabhängig davon kommen viele Schüler aus den Klöstern zurück ins weltliche Leben, sei es aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen. Das nun wieder kenne ich ja schon seit der Begegnung in Sherpagaon.
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Früh am Morgen weckt mich der wunderbare Wacholder-Duft, mit dem unten der Herd für den Tag gereinigt wird. Als ich mich zur Wirtin geselle legt sie gerade getrockneten Yak-Dung aufs Feuer, der eine neue, unerwartet angenehme Note in den Raum streut. Brennholz habe sie hier oben so gut wie keines. Alle freuen sich schon, dass spätestens ab 2015 das unterhalb des Dorfes im Bau befindliche kleine Wasserkraftwerk Strom liefern wird. Dann werden sie nicht nur Solar-Licht, sondern auch alle uns geläufigen Selbstverständlichkeiten des modernen Lebens, einschließlich der hier höchst sinnvollen billigen elektrischen Heizgeräte nutzen können.
Ein anderes Thema wird sich dadurch aber auch künftig nicht lösen. Jetzt im Mai, bevor der Monsun in wenigen Wochen auch die hiesigen Weiden zu sommerlicher Blüte treiben wird, geben die Yaks keine Milch, da die Weiden schlichtweg zu trocken sind. Willst Du Milch, so kommt es als Pulver aus der Tüte. Und dieses kommt aus Europa. Und es ist unverschämt ungesund gesüßt. Ich bin fassungslos und trinke meinen Tee lieber pur. Die Einheimischen folgen mir leider nicht. Sie kaufen dieses ungesunde und teure Zeug und finden es auch noch toll. Liebe Yaks, gebt schnell wieder mehr Milch!
Gerade, als wir uns verabschieden wollen, fällt mir beim Blick auf den gegenüberliegenden Hang ein Felsen auf. Ich frage die Einheimischen und auch Pasang, ob sie sich mit etwas kindlicher Imagination vorstellen könnten, dass der vor uns liegende Felsen die Silhouette des Gesichtes eines Mannes abgeben könnte, eines „ruhenden Sherpas“ etwa? Jedenfalls erinnert es mich an den das „Gesicht Tragores“ genannten Felsen in den Western Ghats in Kerala, was dort unten an den Wochenenden ein rechter Wallfahrtsort ist.
Meine hiesigen Freunde sind skeptisch noch. Vielleicht ist es für künftige Trekker-Generationen eine Attraktion? Und keiner wird wissen, dass ich sie entdeckt habe. Gut so.
Mit meiner erfrischend direkten jungen Gastgeberin klären wir, fast schon auf dem Wege, noch die Frage aller Fragen. Sie wisse von allen Gästen, die sie daraufhin angesprochen habe, also quasi allen, dass die westlichen Männer hier oben zunächst aufgrund der physischen Anstrengungen in der Höhe und zweitens wegen der Verdauung des ungewohnten Essens es mit einer akuten „Blutumverteilung“ zu tun hätten. Auf meinen fragenden Blick hin bricht sie in ein fröhliches Lachen aus. Endlich verstehe auch ich, worum es ihr geht und kann mich selbst kaum halten. Verena, mein immer deutlich artikulierendes bestes „Stück“, würde dazu lapidar vermerken, dass da wohl die bei der Herrlichkeit sonst immer präsente „Schwanzsteuerung“ etwas aus dem Takt geraten sei. Recht haben die beiden. Das Gefühl dieser sehr spezifischen lokalen Blutleere ist eine durchaus bereichernde Erfahrung für so einen „alten Sack“ wie mich, und sicher nicht nur für mich.
Ab jetzt geht es bergab. Eigentlich traumhaft, aber durchaus mit Schmerzen für die Knie verbunden. Wir treffen erstaunlich viele Chinesen und Einheimische auf dem Weg nach oben. Irgendwo dann in einer ganz steilen Passage, ich  mag es kaum glauben, aber da kommt unsere Köchin aus Langtang mit einer Ladung auf dem Rücken den Berg hinauf, die mich sprachlos macht. Sie hole nur neue Gäste hoch und bis zum Mittag sei ja noch etwas Zeit… Das Mädchen hat echt Körner und Humor noch dazu!
Bald sind wir dann wieder in Lama-Hotel und erfreuen uns an der wärmenden Nachmittagssonne. Die Natur ist wieder  üppig grün. Auch die Nacht ist hier unten gut 10 Grad wärmer. Besondere Attraktion ist die solar beheizte Dusche, die ich ausgiebig genieße. Wunderbar! Am Abend fragt mich eine aufsteigende weitere nette Salzburgerin – müssen die denn im Mai alle weg von dort? – Löcher in den Bauch zum Trek, zum Leben hier oben und, und, und…
Am kommenden Morgen bricht sie mit ihrem gut übergewichtigen Guide, der die letzten 4 Jahre als Chefkoch in einem Hotel in Abu Dhabi zubrachte, beizeiten auf. Wir aber folgen zunächst dem Weg hinunter ins Tal. An einer völlig unscheinbaren Stelle bedeutet mir Pasang, nach links abzubiegen. Wie so oft in den letzten Tagen bin ich überaus dankbar, dass er mir den Weg weist. Ohne ihn wäre ich so manchen Kilometer mehr gelaufen. Vor allem aber hätte ich viele Momente mit den Einheimischen nicht erleben können.
Ganz unspektakulär verlassen wir also den Langtang-Trail und machen uns auf den Weg nach Gosain Kund und Helambu. Mehr dazu in einer weiteren Geschichte.

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