Die Auto-Rikscha, das Nahverkehrs-Transportmittel der Inder

Da, wo wir herkommen, können sich viele Menschen schlichtweg nicht vorstellen, ohne Auto zu leben. In Indien geht die Entwicklung Anfang des 21. Jahrhunderts ganz eindeutig auch in diese Richtung, jedoch wird der private Wagen für die übergroße Mehrheit der Inder wohl auf lange Zeit unerschwinglich bleiben. Dennoch, die Mobilität der bald weltgrößten Bevölkerung, hier zuvorderst der jungen, nimmt unaufhörlich zu. Im überregionalen Bereich drückt sich das besonders in einem rasanten Wachstum des Inlandflugverkehrs aus. Auch wird verstärkt in den Erhalt und Ausbau des maroden Eisenbahnnetzes und, da es vieles nachzuholen gilt, vor allem in den Bau neuer Straßen investiert.

Auf unseren Fahrradtouren sind wir weniger mit dem Fern-, als vielmehr tagtäglich mit dem regionalen Verkehr in und zwischen den besuchten Städten und Dörfern konfrontiert. Bei allem Aufbruch in die Moderne mit dem schnell wachsenden und die entsprechenden Staus verursachenden Individualverkehr sind es doch zwei Konstanten, die uns stets begleiten. Zum einen das wohl engmaschigste Netz des Bustransportes auf diesem Planeten mit den geradezu „unkaputtbaren“ TATA-Bussen, die sich noch auf der rumpeligsten Straße in das abgelegenste Dorf schleppen. Und wo sie nicht hinkommen, sei es in den engen Gassen der mehr oder weniger großen Orte oder weg von den Endpunkten der Buslinien noch bis in die letzte Hütte, da tummeln sich Ameisen gleich die Heerscharen von motorisierten Rikschas, hier einfach „Auto“ genannt (kurz für Auto-Rikscha) oder Three-Wheeler. In Deutschland sind sie auch unter dem thailändischen Begriff Tuk-Tuk bekannt.

Letztere vor allem sind unsere „Konkurrenten“ auf den Seitenstreifen der Fahrbahnen, im Getümmel innerhalb der Ortschaften und auf kleinen Wegen und Straßen. Und häufig treffen wir uns an Tee-Ständen oder den von außen nicht sehr einladenden Snack-Buden. Da, wo die Piloten dieser Gefährte ihren Tee oder Snack konsumieren, und dessen kann man sicher sein, ist es immer frisch zubereitet und die Qualität stimmt. Im übrigen sind sie dort immer freundlich und hilfsbereit, was sich schon mal ändern kann, wenn sie um Kundschaft buhlen oder versuchen, sich ziemlich rabiat Vorteile auf der Strecke zu verschaffen. Vielleicht ist dieses Gewerbe auch deswegen bisher eine reine Männer-Domäne  geblieben?

Der weltweite Siegeszug dieser flexiblen Lastesel begann in den 1940er Jahren in Italien mit den Firmen Vespa und Piaggio. Schnell wurden sie zu einem Verkaufshit und wurden bald überall in Asien und in vielen Ländern Afrikas und Lateinamerikas in Lizenz oder als Eigenmarke hergestellt. In Indien, dem mit Abstand größten Markt, sind sie seit den Tagen der Unabhängigkeit nicht mehr von den Straßen wegzudenken. Täglich transportieren die dreirädrigen Gefährte der Marken Bajaj, Mahindra oder eben Piaggio Ape Millionen Inder über kurze Strecken zum gewünschten Ziel.

Die Kleinen lernen sie als quasi natürliche Fortsetzung ihrer ersten Schritte an der Seite ihrer Mutter kennen und haben später auf dem Schulweg ihren Spaß, wenn sie darin lernen müssen, sich gegen eine Vielzahl von Altersgenossen zu behaupten. Denn dort, wo der Europäer hinter dem Fahrer nur einen weiteren Doppelsitz für die Gäste sieht, tummeln sich meist mindestens 4 Erwachsene oder eben Gruppen von bis zu 10 Kindern.

Frauen, denen aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen von ihren Vätern oder Ehegatten nicht erlaubt wird, kurze Strecken mit dem Fahrrad zu fahren, obwohl sie dies bis zum Eintritt in die Pubertät begeistert taten, sind lebenslange Rikscha-Kunden. Neben ihrer zumindest in ländlichen Gegenden oft immer noch beachtlichen Kinderschar transportieren sie so alle ihre Einkäufe, besonders wenn es schnell vom Markt mit Unmengen frischer Lebensmittel nach Hause gehen muss.

Erstaunlicher Weise sieht man auch viele Herren die Dinger benutzen. Es ist halt bequem und immer noch günstig, vor allem wenn man sich die Strecke mit anderen teilt. Da viele zum Feierabend noch einen oder zwei Absacker nehmen und seit einiger Zeit die Polizei rigorose Alkoholkontrollen umsetzt, führt auch das zu einem Aufschwung für die Innung, besonders in den Abendstunden.

Natürlich empfehle auch ich, obwohl wir ja möglichst alle Strecken auf dem Fahrrad zurück legen wollen, allen meinen Gästen zumindest einmal während der Tour in eines dieser typischsten aller indischen Gefährte zu steigen. Oft kommen da Erinnerungen an Auto-Scooter oder ähnliches hoch, wenn es denn zur Sache geht. Einige ganz Mutige, wie eine ehemalige holländische Kundin „lecken dann Blut“ und melden sich zum alle zwei Jahre stattfindenden Rikscha Run an. Da dürfen sie dann selbst ans Steuer und überwinden im 3-er-Team innerhalb von zwei Wochen eine Distanz von ca. 3.000 km quer durch den Subkontinent. Sicher ein einmaliges Erlebnis, zumal es als Charity-Veranstaltung ausgelegt ist und man auch noch für einen guten Zweck Spenden generiert.

Interesse geweckt? Melden Sie sich doch einfach. Wir helfen Ihnen gerne weiter, sowohl in Fragen Rikscha, aber am liebsten natürlich mit dem Fahrrad auf den immer faszinierenden Straßen Indiens. Die meist schwarz-gelb oder gelb-grün lackierten knatternden Dreiräder werden stets unsere Begleiter sein.

Leave a Reply